Donnerstag, 29. Januar 2009

SiCKO

Zu Weihnachten nun erstmals den Film SiCKO, von Michael Moore, gesehen. Sehenswert. Hatte bis dahin gehofft, die zeigen den im TV. Der Film gibt eine Ahnung, warum er bislang nicht im deutschen Fernsehen zu sehen war: Zu privatisierungs- und medienkritisch. Denn die Polemiken in US-Medien, gegen Kanada, die Kanadier und deren staatliches Gesundheitswesen erinnern stark an das was man hier gegen das britische Gesundheitswesen betreibt. Deutschland wird in SiCKO nichtmal erwähnt und es tauchen auch keine lebenden Deutschen darin auf. Wohltuend ist auch, dass darin nicht dem Idealbild der aalglatten, sterilen Titelblatt-Gesichter und Vorzeigefiguren gehuldigt wird, wie man sie im deutschen TV sattsam allüberall als Norm vorgezeigt bekommt, sondern fast durchweg wird mit ganz normalen Durchschnitts-Menschen ganz normales Infotainment betrieben.
Vermutlich zeigt man SiCKO irgendwann im Hochsommer in der Urlaubszeit, wenn die Leute am Strand oder im Bett liegen. Oder in ein paar Jahren, wenn der Film nur noch historischen Wert hat.
Zwei Aussagen von Insidern / Experten in SiCKO würde ich als allgemeingültig hervorheben:


Darum wohl sind viele Schulgebäude in erbärmlichem Zustand, wie auch die PISA-Ergebnisse der Schüler, und unser "Gesundheits"wesen bezahlt Ärzte nur dann, wenn wir krank sind.


In einem totalitär überwachten Staat wie dem unseren werden Menschen nur scheinbar übersehen, fallen nur scheinbar zufällig hinten runter, sondern wir werden von den Mächtigen gezielt runter geschubst und unten gehalten. Der angebliche Rechtstaat ist bewusst als Labyrinth angelegt damit wir uns darin totlaufen, also wenn wir nach Jahren am Ende des Instanzenweges mit leeren Händen als Verlierer dastehen, sollen wir so erschöpft sein, dass wir resigniert uns mit dem bescheiden, was das System für uns vorgesehen hat - nämlich: Nichts.

Zu kritisieren gibt es an SiCKO dennoch einiges. So greift das Lob auf ein staatliches, kostenloses Gesundheitswesen divers zu kurz, wie eigentlich bekannt sein dürfte. Das genügt allenfalls den zurück gebliebenen US-Verhältnissen. Auch in einem kostenlosen staatlichen Gesundheits-System sind Ärzte zu Profitgier und Karrieresucht fähig und können sie dort ausleben, indem sie massenhaft zu skrupellosen Körperverletzern, Mördern oder auch nur Pfuschern geworden sind. Hunderttausende Medizinopfer jedes Jahr in Deutschland sind dafür der traurige Beweis. Das Problem Behandlungsfehler im Kontext privater oder staatlicher Medizin wurde von Moore komplett ignoriert. Zeitgemässer hätte er sich mit dem norwegischen und dem holländischen Modell befassen sollen, in denen Ärzte nicht nur dann Geld verdienen, wenn Menschen krank sind. Aber das ist für das deutsche Publikum zu fortschrittlich, für US-Verhältnisse wäre das wohl unzumutbar gewesen.

Auch beherbergt jeder Zentralismus und jede Konzentration - egal ob staatlich oder privat - die Gefahr eines Faschismus. Als aktuelles Beispiel sei genannt die von Staat und Industrie betriebene zentrale Speicherung aller privaten Patientendaten (Gesundheits-E-Card). Moores unkritische Lobhudelei auf staatliche Medizin erscheint daher als Auftragsarbeit staatlicher oder staatsnaher Organisationen.

Ein anderer Kritikpunkt ist seine Darstellung der kostenlosen medizinischen Behandlung der Guantanamo-Häftlinge als erstrebenswert für die alleingelassenen, krank gewordenen Helfer aus den Trümmern des World-Trade-Center. Abgesehen davon dass solch ein Neid auf teils unschuldige Leute, die nur noch ihr nacktes Leben haben, unmoralisch ist, ignoriert Moore oder er kennt sie nicht, die Vorwürfe des Ex-Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz, der beschreibt, dass immer wieder Häftlingen, die auf die Krankenstation gebracht wurden, von Ärzten gesunde Körperteile chirurgisch entfernt worden sein sollen. Wenn Moore also fordert, die medizinisch ignorierten Nine-Eleven-Helfer wollen die gleiche medizinische Behandlung wie die Al-Quaida-Leute im Lager Guantanamo, dann ist das in dem Zusammenhang ziemlich bizarr wenn nicht perves.