Freitag, 11. September 2009

Mit schwarzer Schminke für die kleinen Leute kämpfen

Das NDR- / ARD-Medienmagazin ZAPP präsentiert uns allen Ernstes den Wallraff als Vorbild für Nachwuchs-Journalisten. Und diese machen tatsächlich brav eine verbale Verbeugung vor dem vermeinlich grossen investigativen Journalisten.

Meiner - zugegeben subjektiven - Wahrnehmung nach hat Wallraff seine Undercoveraktionen immer erst dann gemacht, wenn die Probleme eigentlich lange auf dem Tisch lagen und teilweise sogar schon gelöst waren. Er hat längst bekannte Skandale eigentlich nur nachträglich noch aus einer Innenschau boulevardesk aufbereitet. So war spätestens seit der 68er APO bekannt, dass BILD ein gefährliches Lügen- und Hetzblatt ist. Um das zu erkennen, zu beweisen oder zu bekämpfen, musste sich niemand bei BILD einschleusen. Jahre später macht Wallraff aber genau das und liefert eine reisserische Anschauung vom Alltag in der BILD-Redaktion. Hat das irgendwas oder irgendwen weitergebracht als Wallraff selbst? BILD-Kritik erscheint viel effektiver und sinnvoller nach Art von BILDblog. Vielleicht hätte Wallraff sich seinerzeit besser um wöchentlich eine halbe Stunde Sendezeit für eine inhaltliche BILD-Kritik im deutschen Fernsehen bemühen sollen.
Auch jetzt kürzlich seine Reportagen aus einem CallCenter und einer Industriebäckerei kamen zu einerm Zeitpunkt, nachdem das Problem längst bekannt war und sogar schon gesetzlich reagiert wurde. Wallraff hängt sich eigentlich nur an längst bekannte und teils geklärte Skandale aber schafft sich mit Hilfe bestimmter Medien ein Image als investigativer Journalist.

Es wird immer gesagt, ab 40 gehört man auf dem Arbeitsmarkt zum alten Eisen und hat kaum noch eine Chance. Komischerweise bekommt der fast 70jährige Wallraff aber immer noch Jobs dort, wo er recherchieren will. Eigenartig ist dabei auch, wie es ihm gelingt, seine Identität zu fälschen. Ausweise, Arbeitspapiere und dergleichen muss er ja vorlegen und kann wohl kaum seine eigenen Originaldokumente verwenden. Woher hat er die gefälschten Unterlagen? Er wird dafür nicht mittels krimineller Kontakte auf dem Schwarzmarkt ein halbes Vermögen bezahlen. Bleibt der Geheimdienst als Quelle gefälschter Identitäten.
Glaubt man einem Titelbild des Zeit-Magazins, dann scheint Wallraff sich momentan als Harrison Ford (Indiana Jones) zurechtgemacht zu haben. Vielleicht will er sich in Hollywood eingeschmuggeln, um die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der unterbezahlten Drehbuchschreiber aufzudecken und öffentlich anzuprangern, damit die nächste Oscar-Verleihung ordnungsgemäss über die Weltbühne gehen kann. Denn wenn dann wieder deutsche Künstler einen Preis in Hollywood abgreifen, soll die Welt diesen Triumpf deutscher Kultur am Bildschirm mitverfolgen können. Die glänzende Oberfläche Deutschlands wird eben auch am Hindukusch verteidigt in Hollywood poliert. Ein Geheimdienstauftrag wie geschaffen für unseren Undercoverhelden Wallraff.

Bekannt ist auch, dass Wallraff vor Jahren den von Mord bedrohten Islamkritier Salman Rushdie für ein paar Tage privat bei sich aufgenommen hatte. Wegen Rushdie hat es internationale Krisen gegeben und Fluglinien weigerten sich, ihn mitfliegen zu lassen, aus Angst vor Attentaten auf Flugzeuge. Rushdie für ein paar Tage bei sich aufzunehmen, war ohne Einverständis und Schutz durch einen deutschen Geheimdienst sicherlich nicht möglich. Wallraff scheint also eine recht innige Verbindung zum Geheimdienst zu haben. Die Art seiner Aktionen legt das auch nahe. Sich zu verkleiden und schwarz zu schminken, um als Türke durchzugehen. Was würden wir davon halten, wenn sich ein afrikanischer oder türkischer Journalist weiss schminken und blond färben würde, um als deutscher Tourist im Hotel einzuchecken und mal zu testen, wie weisse Touristen in der Türkei oder in Afrika behandelt werden? Lustig, hat aber wenig mit seriösem Journalismus zu tun; warum fragt der die Touris nicht einfach direkt nach ihren Erfahrungen.

Aber vor allem hat sich Wallraff durch etwas anderes für alle Zeiten als seriöser Journalist diskreditiert. Meiner Erinnerung nach gab es gegen ihn einen berechtigten Plagiatvorwurf, weil er eine Passage in einem seiner Bücher tatsächlich nicht selbst erlebt, sondern aus einem Buch eines anderen Autors (Michael Holzach - Deutschland umsonst) abgeschrieben hatte, ohne zu fragen und ohne darauf hinzuweisen. Ein Journalist, der fremde Texte klaut und als seine eigenen Erlebnisse verkauft, hat jedes Recht auf Glaubwürdigkeit verwirkt. Dass diese Dinge von den grossen Medien konsequent verschwiegen werden und auch im Internet nichts darüber zu finden ist, weist ebenfalls auf die geschichtsklitternde Hand am langen Arm eines Geheimdienstes hin.

Warum sollte ein Geheimdienst einen Agenten Wallraff aufbauen? Weil Wallraff damit als vermeintlich linker Aktivist allgemein bekannt wird und sich ihm damit Türen in der linken Szene öffnen, er zum Magnet für linke Leute wird, und in den Medien auch als Stellvertreter und Sprecher angeblich kritischen, investigativen Journalismusses in Deutschland herhalten kann. Wenn so ein angeblich kritischer Journalist beispielsweise behauptet, Deutschland sei ein Rechtstaat, dann gibt es sicherlich Leute, die glauben das dann sogar.

Neulich wurde er im TV gezeigt, wie er mit Rupert Neudeck, dem ehemaligen Chef der Hilfsorganisation Cap Anamur, in der Küche sass und plauderte. Genau solche Leute sind für einen Geheimdienst sicherlich interessant. Der Nachfolger von Neudeck hat bekanntlich vor einigen Monaten einen ziemlichen Eklat mit italienischen Behörden provoziert, indem er afrikanische Flüchtlinge mit dem Schiff aus dem Meer aufsammelte und - laut Vorwurf der Behörden - illegal nach Italien brachte. In Italien wurde dem Deutschen dann später der Prozess gemacht. Solche internationalen Probleme möchte ein Geheimdienst entweder gerne verhindern bevor sie entstehen können, oder aber sie gezielt erzeugen. Bei so einem Küchengespräch könnte ein Agent Wallraff interessante Dinge von einem Organisations-Chef Neudeck erfahren, über interne Machtkämpfe, geplante nationale und internationale Aktionen und über Beobachtungen in den Zielländern. Oder anderes Interessantes im Gespräch mit Rushdie oder mit PKK-Chef Öcalan.

Ich sehe grade eine Werbeanzeige mit Wallraff drauf, wo er für den Spiegel samt Bertelsmann-Konzern wirbt und sagt: "Glauben Sie mir, Sie wollen gar nicht alles wissen." (erstaunlich eigentlich, für einen angeblich investigativen Journalisten)
Manche Vermutung ist so wahrscheinlich, die bedarf tatsächlich kaum einer konkreten Bestätigung.
Ich will mich nicht an Wallraff abarbeiten. Er und bestimmte Medien scheinen mir nur symptomatisch für die Trickserei, Scheinheiligkeit und Kulissenschieberei zu sein, mit der hier zu Lande von den angeblich so seriösen, freien Medien tatsächlich Irrlichter und Trugbilder inszeniert, Wirklichkeit verstellt und das Publikum an der Nase herumgeführt wird.<