Mittwoch, 18. November 2009

Zum Tod von Robert Enke

Was ist das für ein Gesundheitswesen, wenn Menschen sich lieber vor einen heranrasenden Zug werfen, als sich stationär behandeln zu lassen?

Die deutsche Medizin gibt viel Geld dafür aus, dass Promis im TV Werbung für Darmkrebsvorsorge oder die inzwischen als zweifelhaft erkannte Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs machen. Die deutsche Medizin wendet sich also mit viel Geld an die Öffentlichkeit. Es ist also auch und vielleicht sogar vorrangig die Verantwortung der deutschen Medizin, welches Image psychische Erkrankungen in der Öffentlichkeit haben. Aber diese Verantwortung ignoriert die deutsche Medizin zugunsten lukrativerer Dinge. Eine Medizin mit der Tendenz, jede Abweichung, jeden Abweichler zu pathologisieren, erscheint für die o.g. Herausforderung allerdings auch völlig ungeeignet.

Jemand der es wissen konnte sagte im TV, Robert Enke hatte nur Freunde. Und überall wird gesungen "You'll never walk alone". Dennoch (oder grade darum?) hat Robert Enke sich umgebracht.

Robert Enke war seit Jahren in psychotherapeutischer Behandlung. Was ist das für ein Medizinwesen, das eine Volkskrankheit nicht in den Griff bekommen kann oder will? Für die Erforschung und Bekämpfung von AIDS und Krebs werden seit Jahrzehnten Milliarden ausgegeben. Erfolgreich? Wenn Depressionen angeblich eine Volkskrankheit sind, dann sind davon offenbar mehr Menschen betroffen also von AIDS und Krebs. Wo sind Forschungsgelder zur Bekämpfung von Depressionen? Die Medizin scheint Depressionen nicht heilen zu wollen; allenfalls an Linderung bzw Symptombekämpfung scheint man interessiert.

Robert Enke musste zuletzt oft pausieren, wie es heisst wegen einer chronischen Darminfektion. Wer mal den Fernseh-Koch Schuhbeck in einer Talk Show über die Wirkung von gutem Essen hat bayerisch dampfplaudern hören, der konnte einen theoretischen Eindruck bekommen, wie wichtig Ernährung und Verdauung für die Psyche sind. Die Radio-Moderatorin Fröhlich beispielsweise hat am Ende ihrer Sendungen die Hörer immer mit der Floskel verabschiedet, sie wünsche allen eine gute Verdauung, denn wenn die stimme, dann stimme auch der Rest.

War Robert Enke Vegetarier? Jedenfalls hatte er sich wohl sehr für den Tierschutz engagiert. Viele aktive Tierschützer sind auch Vegetarier. Aber auch Robert Enkes Sozialisation in der DDR könnte darauf hindeuten, dass das Leben in der westlichen Überflussgesellschaft für ihn einige Umstellungsprobleme auch bei der Ernährung bedeutet haben könnte. Eine Darminfektion ist ernster und mehr als eine simple Verdauungsstörung. Wenn man davon ausgeht, dass Enke also vor und nach seiner chronischen Darminfektion auch Verdauungsprobleme hatte, dann hatte das mit ziemlicher Sicherheit auch Folgen für die Versorgung des Körpers mit Vitalstoffen. Und solche Mängel haben Einfluss auf die Psyche. So ist etwa bekannt, dass ein Proteinmangel zu Depressionen führt. Der Mainstream zeigt jedoch kein Interesse, Leuten zu helfen, die ihren eigenen Weg gehen und dabei Probleme bekommen. Viele gucken zu, reiben sich schadenfroh die Hände und warten, dass der Abtrünnige bald reuevoll in den Schoss des Mainstreams zurückkehrt.

In einem privaten Gespräch sagte mir in den 90er Jahren ein Psychotherapeut, er bekomme pro Therapiestunde 50-100 € (manche Krankenkassen zahlen weniger, manche mehr). Mal Hand aufs Herz: Welcher Mediziner / Therapeut lässt einen solchen Fisch von der Angel? Indem er seinen depressiven Patienten auf mögliche Ernährungsfehler hinweist oder das gar genauer untersuchen lässt?
Obwohl manche Probleme nicht selten erstaunlich einfach zu lösen sind, ist es aber vielleicht zu platt, die Ursache für einen Selbstmord allein in einer schlechten Verdauung zu sehen.

Man kann wohl annehmen, dass für Nationalspieler, die bekanntlich viele Privilegien und grosse finanzielle Vorteile geniessen, es einen enormen Überprüfungs- und Konformitätsdruck gibt, was ihr Nationalbewustsein, ihren Patriotismus, ihre Bereitschaft zur Unterordnung angeht. Vielleicht hat man Robert Enke hinter den Kulissen spüren lassen, dass man von ihm unbedingte Unterwerfung und Konformität verlangt (wie jüngst das Bayern-Managment von Lahm nach seinem Interview), ansonsten gibts für ihn keinen Aufstieg. Wer sich die Fussballer der Deutschen National-Elf auf der Trauerveranstaltung in Hannover anschaute, die in ihrer schwarzen Einheitskluft aussahen wie eine Abordnung deutscher Junker, ahnt den elitären Konformitätsdruck und kann nachvollziehen, dass von solchen Leuten kein öffentlicher Individualismus und keine Mündigkeitskultur zu erwarten ist. Für jemanden aus der DDR, der glaubte nun im sog. freien Westen solche Zwänge hinter sich lassen zu können, vielleicht ein grosser Schock, ein Trauma. Da wird es dann eng und das schlägt auch auf den Magen: Von vorne die erdrückende Unterwerfungsmacht des Systems, mit der Alternative, nicht in der Nationalmannschaft spielen zu dürfen, von hinten Schicksalsschläge, wie der Tod des einzigen Kindes und eigene gesundheitliche Probleme, und von der Seite keinerlei uneigennützige, solidarische Hilfe bei der grundsätzlichen Lösung von Problemen.

Wie sagte die ermordete russische Journalistin Anna Politkowskaja: "Unser Staat hat Freude daran, Menschen in Sackgassen zu drängen." Das macht offenbar auch dem deutschen Staat Spass.

"Bereit sein, aufzustehn gegen Böses, bereit sein, das Kartell der Tabuisierer und Verschweiger einer Gesellschaft, die insoweit nicht menschlich sein kann, zu brechen." (Der Chef des DFB, Theo Zwanziger, in seiner Rede auf der Trauerfeier für Robert Enke)

"Die Welt ist nicht im Lot" (Der Landesvater von Niedertrachten, Christian Wulff, auf der selben Veranstaltung. Sollte hoffentlich keine Werbung für die Freimaurerei sein.)