Sonntag, 31. Januar 2010

Nachdenken

Der Einfluss der politischen Klasse geht weit über die formale Macht zur Formulierung und Auslegung der geltenden Gesetze und zur Auswahl wichtiger Personen hinaus. Wer den Staat lange genug beherrscht, gewinnt allmählich auch Einfluss auf die gültigen Grundvorstellungen der Menschen und bestimmt immer mehr auch die Denkkategorien mit, nach denen Politik überhaupt wahrgenommen und beurteilt wird. Das hat der Soziologe Pierre Bourdieu überzeugend dargelegt:
Die "Hauptmacht des Staates" (und der ihn beherrschenden politischen Klasse) besteht in der "Macht, die Denkkategorien zu produzieren und durchzusetzen (vor allem mit Hilfe des Bildungssystems), die wir spontan auf jedes Ding der Welt und auch auf den Staat selbst anwenden". Beim Nachdenken
über den Staat (und die politische Klasse) läuft man deshalb "immer Gefahr, staatliches Denken zu übernehmen, staatlich produzierte und geschützte Denkkategorien auf den Staat anzuwenden", den Staat und die politische Klasse also so zu verstehen, wie sie gerne verstanden werden möchten.
Die politische Klasse hat die Einrichtungen, die unser politisches Denken prägen, insbesondere die gesamte politische Bildung, fest im Griff.

Quelle: Hans Herbert von Arnim - Das System. Die Machenschaften der Macht. 7. Kapitel: Die Gesandten des Systems: Der lange Arm der politischen Klasse.