Freitag, 15. Oktober 2010

Von wegen Zigeuner

Es hiess ja immer, die Nicht-Sesshaften, die Durchreisenden, die Zigeuner seien gefährlich, diebisch, böse, weil sie nach Anrichten des Schadens über alle Berge verschwinden können.
Woher stammte das Bild das unsere Eltern von den Zigeunern und von sich hatten? Waren es eigene Erfahrungen oder waren es die Erzählungen jener, die Zeitungen, Zeitschriften und Bücher schrieben und druckten und Filme drehten und zeigten? Was denken wir beispielsweise über sog. "Miet-Nomaden" und woraus speisen sich diese Gedanken!

Wer beklaut wen? Die Orts-Unkundigen, zahlenmässig Unterlegenen und schlecht Bewaffneten bestehlen die Sesshaften, in Häusern Verschanzten, Ortskundigen und zahlenmässig überlegenen Stadtbewohner?
Ist es umgekehrt nicht viel wahrscheinlicher? So wird traditionell aber nicht berichtet.
Mal angenommen es wäre umgekehrt, wer hätte davon berichtet, wo hätte es geschrieben gestanden? Mal angenommen, die Stadtbewohner oder jedenfalls die Macht-Eliten einer Stadt haben durchreisende Zigeuner heimlich umgebracht, vergewaltigt, gefangen genommen und als Sklaven gehalten, wer hätte darüber berichtet als es nur Buchdruck, Zeitungen und Mund-zu-Mund-Propaganda gab (man achte auf das Wort Propaganda)?

Es ist doch auch heute noch so, dass die Durchreisenden, Ortsunkundigen die Beute der Ortsansässigen sind. Die harmlose aber teure Variante nennt man Touristen-Nepp. Weit gefährdeter sind sog. Gesundheits-Touristen, die sich in ein fremdes Krankenhaus begeben, auch innerhalb Deutschlands. So ist der norddeutsche Patient in einer bayerischen Klinik gefährdeter als sein bayerischer Leidensgenosse. Der Fremde ist die Beute. Und damit das so bleibt verbreiten die Mainstream-Medien das Bild von den bösen Nicht-Sesshaften und den armen und guten Sesshaften, deren Anwesen jetzt auch noch vom bösen durchfahrenden Google-Streetview-Kamerawagen gefilmt werden.

Ebenso jene Fremden, die als illegale Immigranten in der Fremde leben: sie werden oft nicht nur um ihren Lohn geprellt sondern nicht selten umgebracht, weil kein Hahn nach ihnen kräht. Auch in die Fremde gelockte Frauen und Mädchen sind hilflose Beute und werden zur Prostitution gezwungen. Die Gefährdetsten sind nicht die Alteingesessenen sondern die Fremden, die Durchreisenden, die Ortsunkundigen, die Alleinreisenden - willkommen leichte Beute für die Alteingesessenen und sozial bestens Vernetzten - sie bilden die Wolke, the cloud - die sich wie undurchdringlicher Nebel um die Touristen, Zigeuner, Miet-Nomaden, Zwangsprostituierten, illegalen Immigranten, Gesundheits-Touristen, Durchreisenden, Zeit- und Wanderarbeiter schliesst und diese ausbeutet, verschlingt, absorbiert, assimiliert, verdaut. Also Vorsicht insbesondere vor Messe-Städten! Deren Autoritäten und Honoratioren sind absolute Profis der Ausbeutung all jener, die nicht zur Stamm-Bevölkerung gerechnet werden.

Aber wir müssen aufpassen, auch in der Analyse. Die wahren und neuen Sesshaften sind vielleicht ganz anders und breiter vernetzt als die bislang bekannten Sesshaften, von denen viele in ihren Häusern zu wahrhaft Unbehausten in einer immer unwohnlicher werdenden Welt werden. In einer zunehmend virtuellen und per Funk, Medien und Internet vernetzten Welt und einem Globus, der für einige nur ein Dorf ist, gibt es neue, andere "Orts"kundige als Ausbeuter und neue und andere Orts-unkundige als Beute. Der Mensch als Mensch ist wahrhaftig ein Zigeuner am Rande des Weltalls.