Montag, 27. Dezember 2010

Journalisten: Gatekeeper oder Staubsauger

Neulich im Internationalen Frühschoppen der ARD zum Thema WikiLeaks meinte die Moderatorin Tina Hassel, WikiLeaks sei wohl wie eine Art Staubsauger, der einfach alle geheimen Informationen ansauge und dann in die Öffentlichkeit puste.
Daran erkennt man, das Frau Hassel offenbar noch nie ihrem Leben staubgesaugt hat und keine Ahnung von dessen Funktionsweise hat. Und MONITOR-Matrone Sonja Seymour-Mikich meinte, Journalisten hätten die Funktion von "Gatekeepern" - also von Türstehern bzw Pförtnern.

Tatsächlich verhält es sich jedoch umgekehrt: WikiLeaks recheriert nicht selber, sondern lässt kommen. Die Informationen fliessen WikiLeaks zu und werden angeblich lediglich gesichtet, sollen nicht zensiert werden und werden auch nicht manipuliert und in keine journalistische Textarbeit eingebaut. Also eindeutige Ähnlichkeit mit einem Türsteher oder Pförtner: Die Leute kommen von selber, der Pförtner wirbt nicht um sie, sondern sortiert und entscheidet allenfalls, wer rein darf.
Hingegen Journalisten recherchieren, beschaffen sich Informationen, saugen sie gradezu auf, kollaborieren dazu mit Polizei und Geheimdiensten, spitzeln und spionieren, hören ab, stehlen geheime Unterlagen. Und sie verarbeiten, filtern sehr stark ihr Input und lassen nur einen kleinen Teil an die Öffentlichkeit durch, nicht selten nur heisse Luft - wie aktuell die "Cable-Gate" Story beim SPIEGEL.

Also WikiLeaks agiert wie ein Pförtner oder Türsteher, die Journalisten hingegen wie Staubsauger: Alle Schrecklichkeiten dieser Welt werden als Information von den Journalisten aufgesaugt, und bei der Bevölkerung landet warme, saubere Luft, die allerdings nicht keimfrei ist. Hingegen WikiLeaks lässt eben auch die schrecklichen Nachrichten zu uns durch. Die einen finden das dreckig, die anderen finden, das ist eben die rauhe Wirklichkeit.