Freitag, 1. April 2011

Das Nicken der TalkShow-Gäste, und die Begeisterung der Konzertbesucher

In TalkShows sieht man ja immer wieder Kameraschnitte mit nickenden Mitgliedern der TalkRunde. Oberflächlich betrachtet sieht das so aus - und soll es wohl auch - als wäre es ein Nicken des Verstehens und der Zustimmung - man hört einander zu. Jeder Teilnehmer hat vor sich unterm Tisch einen Monitor im Blick, da kann er mitverfolgen, was auch der Zuschauer zu Hause zu sehen bekommt. Tatsächlich nicken die Diskutanden als Zeichen, dass sie mitbekommen haben und es akzeptieren, dass ihr Gesicht grade in Grossaufnahme gezeigt wird. Ganz selten mal sieht man jemanden Zeichen der Abwehr artikulierend, und sofort blendet die Kamera weg. Das Ganze dient offenbar der Möglichkeit, dass jene Mitglieder der Runde, die grade nicht sprechen, etwas machen können, was wir aus Übertragungen aus dem Bundestag kennen: mal wegträumen, mit dem Schlips spielen, in der Nase bohren, gähnen, angewiedert oder gelangweilt gucken, dreckig grinsen, usw. Weil solche Zeichen des Desinteresses und der Mis- oder Verachtung schnell auch den TV-Zuseher zu Undiszipliniertheiten verleiten könnten, werden sie von der Kamera konsequent gemieden - zum Vorteil auch der betreffenden Talk-Teilnehmer - eine Hand wäscht die andere.

Als es den SWF noch gab, war ich mal als Zuschauer bei zwei Aufzeichnungen von Rockkonzerten in Baden-Baden. Karten gab es nur durch Beziehungen, denn die Zuschauer kommen in Scharen, weil der Eintritt frei ist und es kostenlos Getränke gibt.
Schon die Choreografie ist raffiniert: Die Zuschauer werden aufgefordert, möglichst nahe an die Bühne zu kommen und diese dichten Reihen vorne an der Bühne werden von Scheinwerfern hell ausgeleuchtet, sind also gut zu sehen, jedoch nach weiter hinten, wo immer weniger Zuschauer stehen, strahlt man immer weniger Licht, um schliesslich dort, wo die leere Halle zu sehen wäre, alles dunkel zu lassen. Die Fernsehzuschauer sehen also dichte Publikumsreihen vorne und genauso weiter hinten im schwächeren Licht und denken linear weiter, dort wo es komplett dunkel ist, stehen sicher auch noch viele Leute, die sieht man nur nicht. Mittels geschicktem Einsatz von Licht und Dunkel und Kamerschnitten wird also der Eindruck von mehr Publikum erweckt, als tatsächlich da ist.

Auch zeigt man uns gerne begeisterte Konzertbesucher. Tatsächlich sucht sich der Kameramann auf der Publikumseite spezielle kleine Grüppchen - vielleicht sind das professionelle Cheerleader oder Animateure oder Angehörige von Mitarbeitern des Senders - die ziehen extra für die Kamera kurz eine gute-Laune-Show ab. Wenn man seinen Blick von der Jubelgruppe mal bewust wegreisst, erkennt man manchmal, dass um die Gruppe herum das Publikum gar nicht so eine gute Laune hat, ja teilweise sogar etwas verwundert auf solch ein eigenartiges Jubel-Grüppchen schaut.

Auch die Inszenierung der Musiker auf der Bühne ist interessant. Meist verharren die Begleitmusiker gelangweilt wirkend an einer Stelle auf der Bühne und bedienen professionell und emotionslos ihr Instrument, wie Mechaniker eine Maschine. Erst wenn ein Kameramann mit seiner Schulterkamera zu ihnen kommt werden sie wach und ziehen eine Gefühls-Show ab, so als würde jeder Ton in ihnen eine Extase auslösen. Kaum hat der Kameramann seine Aufnahmen im Kasten und verschwindet wieder, fallen die Begleitmusiker wieder in ihre gelangweilte Haltung zurück. Die einzigen die wirklich durchgehend die Wirbelwinde geben - ob echt oder gespielt - sind die Stars und Namensgeber ihrer Band.