Mittwoch, 18. September 2013

Einübung in Faschismus

Auf Sat 1 läuft die Serie "Die strengsten Eltern der Welt" und auf Kabel 1 "Stellungswechsel".
Beide Sendungen ähneln sich.
Die letztgenannte Sendung ist (noch) kein kollektiver Befehl des Fernsehens, im Schlafzimmer alle zusammen bis zum Gegenbefehl in die Missionarsstellung zu gehen.
In beiden Sendungen geht es um jeweils immer zwei andere Deutsche, die irgendwo weit weg ins Ausland geflogen werden, wo sie für ein bis zwei Wochen das dortige Leben leben sollen. In der Sat 1 Sendung müssen zwei "schwer erziehbare" deutsche Jugendliche, beispielsweise in Südostasien in einer Pygmäen-Familie im Dschungel leben und sich dem Diktat der neuen Eltern beugen. Kabel 1 tauscht jeweils zwei Unterschichts-Arbeiter/innen aus Deutschland und zwei aus einer ähnlichen Branche im Ausland irgendwo auf dem Globus, gegen einander aus. Beide Paare machen dann für nicht ganz zwei Wochen den Job am Arbeitsplatz des jeweils anderen Paares unter der Fuchtel des dortigen Arbeitgebers. Allein wer gerne ins Ausland blickt, weil ihn die deutsche Nabelschau der hiesigen Medien anödet, kann dem Ganzen Anfangs einen gewissen Reiz abgewinnen.
Allmählich treten dann aber die wahren Motive und Ziele des Senders deutlicher hervor. Das fängt schon mit dem Setting an, für lediglich nicht mal zwei Wochen Leute in einem Überraschungscoup, was das Reiseziel angeht, in die hintersten Winkel der Welt zu fliegen. Das hat was von Arroganz und Grossmannssucht, nach dem Motto, jetzt zeigen wir mal ein paar von uns ausgewählten kleinen Leuten die Welt, denn uns gehört die Welt, was kümmert uns das Klima, und Geld spielt keine Rolle.
Im Verlauf des Geschehens wird deutlich herausgearbeitet zu zeigen, wie gut es den Arbeitnehmern in Deutschland eigentlich gehe, wie bescheiden und einfach ihre Kollegen im Ausland leben, und dass die Kollegen im Ausland viel leistungswilliger und oft auch leistungsfähiger sind, und im Prinzip auch in Deutschland verfügbar wären - es geht also um Einübung in globales Konkurrenzdenken, also in Demut und Bescheidenheit für die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter.

Aber das genügt dem TV-Sender nicht!

In einer jüngsten Folge der Serie wurde ein Schwimmmeister aus einem Thüringer Freibad zusammen mit einer älteren Kollegin nach Rio de Janeiro verfrachtet, um dort für 10 Tage bei den dortigen Rettungsschwimmern reinzuschnuppern / Dienst zu tun. Im Gegenzug kamen zwei der Rettungsschwimmer in das ostdeutsche Freibad, um dort zu arbeiten.

Nun war es aber so, dass der junge Thüringer, Ende Zwanzig, ein unkonventioneller Typ war, Kriegsdienstverweiger, also Anti-Militarist, und mit einigen Piercings am Kopf und mit einer Haartolle, wohingegen der Rettungsschwimmer-Dienst von Rio vom Militär betrieben wird. Die für etwas mehr als eine Woche neuen Kollegen des jungen Mannes waren also Schwimm-Soldaten.
Er wurde aufgefordert, seine Piercings abzulegen, was er dann auch tat, und sogar Medizinpersonal an seinen Kopf liess, dass ihm die etwas komplizierten Piercings mit Instrumenten entfernten. Als er dann später auch seine Haartolle abschneiden lassen sollte, weigerte er sich jedoch.
Der Kompaniechef meinte tatsächlich aber, die Haare des deutschen Praktikanten gehörten dem Militär.
Um den Widerstand des Schwimmeisters zu brechen, wurden seine brasilianischen Kameraden vor seinen Augen bestraft, indem sie solange Liegestütze machen sollten, bis der renitente Anti-Militarist seinen Widerstand aufgibt und sich sein Haar schneiden lässt.
Der meinte empört, das sei Erpressung, und wie in einer Diktatur: wenn du nicht machst, was wir von dir verlangen, erschiessen wir einen deiner Kameraden.
Von den Kameraden konnte der Mann natürlich keinen Beistand erwarten, die hatten schliesslich alle schon so kurze Haare, wie von ihm verlangt, und tatsächlich forderten sie ihn während ihrer Liegestütze immer wieder lautstark auf, sich das Haar schneiden zu lassen. Schliesslich gab er nach, liess sich seine Tolle stutzen, war aber anschliessend den Tränen nahe.

Im Fall der Rettungsschwimmer gibt es sicher sachliche Gründe für die genannten Massnahmen, ein Bäcker trägt ja auch keinen Fingerschmuck, weil dort Teig beim Kneten hängen bleibt, als unhygienisch. Aber es wurde nicht sachlich begründet, sondern auf Befehl und Gehorsam gesetzt, der Anti-Militarist sollte gefügig gemacht, sein Wille gebrochen werden.

Dieses Prinzip, das ganze Kollektiv zu bestrafen, um einen sozialen Druck auf eine Person zu erzeugen, damit sie tut was von ihr verlangt wird, wird auch in der o.g. Sat 1 Serie angewendet, weil immer beide Jugendliche bestraft werden, auch wenn nur eines gegen die Regeln verstossen hat. Das ist ein bequemer und perfider Trick der Herrschenden, in dem Fall die Eltern. Der oder die andere übt dann sozialen Druck auf den eigentlichen Regelbrecher aus. Warum machen die fremden Eltern, die fast immer als souveräne, ausgeglichene, symphatische Leute erscheinen, bei diesem faschistoiden Bestrafungsprinzip mit? Vermutlich weil sie die beiden Jugendlichen als völlig Fremde als eine eigene Gruppe ansehen, und es hat in dem Fall natürlich auch die Logik, dass Leute der selben Sprache und Kultur leichteren Einfluss auf einander haben, als Fremde und Aussenstehende. Eine Kollektivbestrafung ist eigentlich ein Widerspruch in sich, denn es werden Regelbrecher und Regelkonforme gleichermassen bestraft, nur weil sie irgendwelche anderen Gemeinsamkeiten haben.

Das ist etwa so, wie wenn ein Mann oder eine Frau im Laden etwas klaut, und anschliessend muss auch der Ehepartner sich vor Gericht verantworten und wird mitbestraft, weil er nicht gut genug auf den stehlenden Ehepartner aufgepasst oder keinen genügend guten Einfluss auf ihn oder sie ausgeübt hat. Wo wäre die Grenze? Würden irgendwann auch der Arbeitgeber, die Kollegen, der Freund oder die Freundin des Diebes / der Diebin mitbestraft - das ganze soziale Umfeld?
Würde es solche Praktiken in islamischen Staaten geben, wir würden empört meinen, das sei typisch der barbarische Islam.
Aber dieses faschistische Prinzip wird von deutschen TV-Sendern praktiziert!
Das Prinzip wissen wir aus der Nazizeit, wenn nach erfolgreichen Angriffen von Partisanen gegen die Nazi-Besatzer, zur Strafe / Vergeltung ganze Dörfer und ihre Bewohner von den Deutschen vernichtet wurden. Also nicht die Täter werden bestraft, sondern ihre ganze soziale Gruppe bzw irgendwelche Ähnliche.
Dieses Prinzip wenden auch die jetzigen Herrscher der Welt an.
Die Zuschauer sollen also offenbar schon früh Zwang, Unterwerfung und Befehl und Gehorsam unter der Knute der Herrschenden, konditioniert werden.